Obertongesang ist die Kunst zwei- oder auch dreistimmig zu singen. Die „normale“ Stimme besitzt über dem Grundton eine Vielzahl von Obertönen. Aus der Verteilung dieser Obertöne errechnet unser Hirn die Information um welche Art der Klangquelle es sich handelt. Ob um eine Maschine, ein Natur-, Tierlaut, ein (welches) Musikinstrument oder um eine menschliche Stimme. In diesem Fall auch noch ob der Besitzer dieser Stimme ein männlicher oder weiblicher Mensch, ob er glücklich, traurig, jung oder alt ist.
Über die Einstellung von Resonanzräumen im Mund können wir einzelne Obertöne herausfiltern und verstärken. Statt des Grundtons und darüber der Vielzahl von Obertönen ertönt jetzt nur noch ein einzelner Oberton über dem Grundton. Dieses Signal wird nun nicht mehr als „Klangfarbe“ erkannt sondern wir „hören“ (also unser Hirn registriert) wirklich zwei getrennte Töne.
Obertongesang hat in Tuva und in der Mongolei – rund um den Altai - eine lange Tradition. Der Kehlgesang „Khoomei“ besitzt einen sehr obertonreichen Klang. Mit der Obertongesangstechnik „Sygyt“ werden sehr präsente, klar pfeifende Obertöne erzeugt. Als Untertongesang ist der Kargyraa bekannt, dieser zusammen mit Sygyt ist der Chylandyk und es gibt noch etliche weitere Techniken.
In Europa wurde ein eigener Stil der Obertonmusik Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre entdeckt. Man höre die Werke „Stimmung“ und „Sternklang“ von Karlheinz Stockhausen oder auch Werke von La Monte Young. Der Grundton ist bei dieser Art eher die normale Singstimme.
Von diesen Anfängen entwickelte sich der westliche Obertongesang bis zu den ersten polyphonen Chorstücken für Obertonchöre heute und er entwickelt sich immer weiter. Tuvinisch - mongolische Techniken werden übernommen, mit anderen Techniken vermischt, europäische Technik weiterentwickelt, Ober- und Untertongesang wird mit Effektgeräten bearbeitet und so entstehen immer neue Dinge.